Ninjutsu und Bujinkan

DAS BUJINKAN

Das Bujinkan ist eine internationale Assoziation. Übersetzt bedeutet Bujinkan die „Halle der göttlichen Krieger“. Es wurde von Dr. Masaaki Hatsumi gegründet. Das Hombu Dōjō, das Haupt-Dōjō, befindet sich in der japanischen Stadt Noda, in der Präfektur Chiba.

Dr. Hatsumi ist der 34. Großmeister von neun Koryu Traditionen. Diese Kampfkunsttraditionen (Ryû-Ha) aus dem feudalen Zeitalter Japans wurden ihm von seinem Lehrer weitergegeben, Toshitsugu Takamatsu – dem letzten Combat Ninja des 20. Jahrhunderts. Die einzelnen Schulen werden im Bujinkan sowohl separat als auch integriert studiert. Damit bildet das Bujinkan ein umfassendes, in sich geschlossenes Kampfkunstsystem.

Drei der angesprochenen Ryû-Ha sind Ninjutsuschulen. Die anderen sechs stellen klassische Samuraikampfkunsttraditionen dar:

Ninjutsu-Traditionen

  • Togakure Ryû Ninjutsu
  • Kumogakure Ryû Ninjutsu
  • Gyokushin Ryû Ninjutsu

Samurai-Traditionen

  • Koto Ryû Koppôjutsu
  • Gyokko Ryû Kosshijutsu
  • Takagi Yôshin Ryû Jûtaijutsu
  • Gikan Ryû Koppôjutsu
  • Shinden Fudô Ryû Dakentaijutsu
  • Kukishinden Ryû Happô Biken Jutsu

Die Grundregeln für unser Training bilden die Bujinkan Guidelines: http://www.bujinkan.com/guidelines.htm. Sie sind von jedem Mitglied unbedingt einzuhalten.

BUDO TAIJUTSU UND NINJUTSU

Wie schon gesagt, stammen nur ein Teil der Techniken, die im Bujinkan trainiert werden, aus klassischen Ninjutsu-Schulen. Ein Großteil der Grundlagen stammt aus sehr alten Kriegstraditionen, deren Ursprung teilweise nicht einmal in Japan, sondern in China liegt. Aus diesem Grund und weil der Ninjutsu-Boom in den 70er und 80er Jahren dazu führte, dass unter dem Begriff Ninjutsu alles Mögliche verkauft wurde, nur nicht die wirkliche Kampfkunst, entschied sich Hatsumi Mitte der 90er Jahre, das System in Bujinkan Budô Taijutsu umzubenennen. Das Ninjutsu im Sinne der Kampfkunst der „Ninja“ ist, wenn man so will, Bestandteil des Bujinkan Budô; gleichzeitig ist das Bujinkan Budô jedoch viel mehr.

Vermutlich wollte Sensei mit diesem Schritt auch den Fokus stärker auf das Training der allgemeinen Grundlagen des Budô richten, um eine bessere Voraussetzung zu schaffen für das, was ab dem Jahr 2003 folgen sollte. In diesem Jahr begann er nämlich mit den Themen Juppô Sesshô und (ab 2004) Roppô Kuji das bis dato technische Trainingslevel auf ein neues Niveau zu heben. Für unsere Kampfkunst wird seither wieder der Name Bujinkan Ninpô Taijutsu genutzt. Auch wenn sechs der neun Schulen Samuraischulen darstellen, werden sie dennoch mit der Einstellung und dem Verständnis des Ninpô Taijutsu interpretiert und gelebt.

Eine Kampfkunst mit Worten zu beschreiben ist ziemlich schwierig. Von daher empfiehlt es sich einfach im Dojô vorbeizuschauen. Trotzdem ein kurzer Versuch. Im Ninpô Taijutsu wird das Kämpfen mit und ohne Waffen trainiert. Darüber hinaus werden Aspekte aus den Themenbereichen Strategie, Philosophie und Geschichte im Training berücksichtigt. Die Ausbildung erfolgt so generalistisch wie möglich. Der Fokus des Trainings liegt auf der Entwicklung eines Gefühls (Sanshin) für die richtige Distanz, das richtige Timing und den richtigen Rhythmus in einer Kampfsituation.

Durch natürliche Bewegung des Körpers als Einheit provoziert der Praktizierende beim Gegner Schwächen und damit Angriffspunkte. Dabei arbeitet man teilweise bewusst mit fingierten eigenen Schwächen, was oft dazu führt, dass der Gegner, bis zur letzten Sekunde siegessicher, von selbst in sein Verderben läuft. Der Beinarbeit kommt daher im Ninpô Taijutsu besondere Bedeutung zu. Für den Außenstehenden ist aufgrund der natürlichen Bewegungen häufig gar nicht erkennbar, was der Ausführende einer Technik getan hat. Im fortgeschrittenen Stadium des Trainings nutzt man in der Tat auch keine Techniken mehr. Man bewegt sich, lässt geschehen, bis der Zeitpunkt gekommen ist, den Lauf der Dinge zu verändern.

Wie bereits erörtert erfolgt die Ausbildung im Ninpô Taijutsu sehr generalistisch, was nicht heißt, dass der Anfänger gleich mit allem auf einmal konfrontiert wird. Das Training setzt sich zu Beginn hauptsächlich zusammen aus:

  • Taihenjutsu (Fallen, Rollen, Sprünge, Stellungen, Ausweichbewegungen etc.)
  • Dakentaijutsu (den Körper als Waffe Nutzen, d. h. Schläge/ Tritte mit Hand, Arm, Kopf, Fuß etc., um anzugreifen oder auf Angriffe zu reagieren)
  • Jutaijutsu (Anwendung und Vermeidung von Würfen, Hebeln, Würgen, Festhalten)

Von Beginn an werden Waffen in das Training mit eingebaut. Das Training der Anfänger konzentriert sich dabei jedoch auf das Erlernen von Ausweich- und Verteidigungstechniken bei Waffenangriffen, um Schritt für Schritt die Angst vor den einzelnen Waffen zu verlieren und gleichzeitig ein Gefühl für den Umgang mit Waffen zu entwickeln. Da das Taijutsu (der „natürliche“ Einsatz des Körpers) auch die Grundlage für das Waffentraining im Ninpô Taijutsu darstellt, wird das Waffentraining erst intensiviert, wenn der Schüler etwas länger trainiert.

Im Ninpô Taijutsu wird der Umgang mit verschiedenen Waffen gelehrt. Dabei kommt es weniger auf die Art der Waffe an, sondern vielmehr auf die Tatsache, wie gut man sein Taijutsu auf die jeweiligen Spezifika der Waffen adaptieren kann, d. h. wie gut das eigene Taijutsu ist. Fortgeschrittene sollen in der Lage sein, jeden beliebigen Gegenstand als Waffe nutzen zu können. Häufig werden Waffen daher im Ninpô Taijutsu auch nicht so genutzt, wie man es allgemein erwarten würde. Waffen sind Gegenstände, die mit dem Taijutsu genutzt werden, um Vorteile im Kampf zu gewinnen.

Mit folgenden klassischen Waffen wird beispielsweise im Training gearbeitet
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Tessen/Shishinbo Fächer, kleiner Stab
Hanbo Kurzstock (ca. 90 cm)
Jo Stock mittlerer Länge (ca. 120 cm)
Rokushakubo lange Stöcke verschiedener Art (ca. 180 cm)
Shuriken Wurfklingen
Tanto Messer
Kodachi Kurzschwert
Ninjato in Ninjutsu Schulen verwendetes Schwert
Katana klassisches jap. Schwert
Tachi größeres Schlachtschwert
Naginata japanische Hellebarde
Yari japanische Speer-/Lanzenwaffe
Kusarifundo/Nawa Ketten und Seile

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Darüber hinaus werden eine Reihe von Ryu-spezifischen Waffen, insbesondere aus den Ninjutsu Schulen, in das Training eingebaut (Kunai, Shuko, Kyoketsu Shogei, Shinobi Zoe etc.). Natürlich sind auch moderne Waffen Bestandteil des Trainings.

Auch im Ninpô Taijutsu werden Kata trainiert. Diese Kata begleiten einen, so lange man trainiert. Entgegen dem Katatraining in Kampfsportarten sollen sie jedoch nur als Beispielformen dienen, um grundlegende Prinzipien der Bewegung in verschiedenen Situationen zu vermitteln. Anfänger werden zu Beginn die Grundformen erlernen und im Rahmen des Trainings mehr und mehr dazu angehalten, die erlernte Form wieder aufzubrechen, bis sie sukzessive die Grundprinzipien der Formen verstanden haben und selbige nutzen, um Öffnungen beim Gegner zu erkennen, Techniken intuitiv einzusetzen und am Ende einen Kampf für sich zu entscheiden. Dieses mit zunehmender Zeit flüssige, durch ständige Veränderung und Anpassung gekennzeichnete Training ist sehr realistisch und damit wesentlich im Bujinkan Ninpô Taijutsu.

Ninpô Taijutsu ist eine Kampfkunst, kein Sport! Das Training erfolgt mit einer Einstellung und entsprechenden Rahmenbedingungen, die realen Konfliktsituationen so nah wie möglich kommen. So wie man trainiert, kämpft man auch. Kampfsportarten werden als Wettkampfsportarten trainiert. Eine beschränkte Anzahl von Techniken wird gelernt, um in einer künstlichen Situation mit eingeschränkten Risiken zu „kämpfen“ und zu siegen. Ninpô Taijutsu ist darauf ausgelegt, sich jeder Situation anpassen zu können, um zu überleben.

If you don’t like pain, do not study Martial Arts!
– Masaaki Hatsumi, 2004

NINPŌ TAIJUTSU

Bis zu diesem Abschnitt wurde Ninpô Taijutsu vor allem unter dem Gesichtspunkt der Kampfkunst im engeren Sinne betrachtet. Genau gesehen muss man Ninpô Taijutsu jedoch eher als eine Art Lebensphilosophie verstehen. Ninpô setzt sich aus den Wörtern NIN und PÔ zusammen.

NIN (shinobu) bedeutet auf japanisch soviel wie erdulden, aushalten, sich verstecken, Ausdauer, ausharren, zurechtkommen mit (bezieht sich auf geistige und körperliche Zusammenhänge), (ver)meiden. Manchmal wird NIN aber auch einfach als Mensch oder Mann im allgemeinen Kontext gebraucht.

PÔ oder auch HÔ kann mit Regel, Gesetz oder Grundsatz übersetzt werden.

TAI bedeutet soviel wie Körper (phys.) kann aber auch allgemein für „das menschliche Sein“ stehen.

JUTSU kann als Kunst, Technik oder auch Zauberei (i. S v. unerklärlich) verstanden werden.

Führt man diese unterschiedlichen Übersetzungsoptionen zusammen, wird der übergeordnete Gedanke des Ninpô Taijutsu deutlich. Ninpô Taijutsu ist eine Philosophie, ein Konzept oder auch einfach nur ein Weg, ein Mensch zu werden, der im Einklang mit seiner Umwelt ein langes, friedvolles und gesundes Leben führt.

Wie soll aber ausgerechnet eine Kampfkunst helfen, ein besserer Mensch zu werden? Auch wenn in der Umsetzung schwierig, ist die Idee doch recht einfach zu verstehen. Ziel einer jeden wahren Kampfkunst ist es, im Kampf nicht zu verlieren oder besser, den Kampf zu überleben. In Zeiten, in denen der Kampf Mann gegen Mann auf dem Schlachtfeld noch zur Tagesordnung gehörte, richtete der Krieger daher seine Einstellung, sein Fühlen, Denken und Handeln vollkommen auf das Erlernen der Fähigkeit „zu überleben“ aus. Der Gedanke des Ninpô wurde also auf die Bedürfnisse der Zeit adaptiert. Weiterleben hieß zum damaligen Zeitpunkt Überleben im Kampf oder noch besser Überleben durch Vermeiden eines Kampfes. Die Kampfkunst gab dem Ninpô Taijutsu sozusagen sein zeitgemäßes Gesicht.

Heutzutage sehen die Schlachtfelder des Lebens anders aus. Wir müssen nicht mehr in Schlachten und Duellen unser Leben verteidigen. Die Problemstellung bleibt jedoch dieselbe. Wie gehe ich mit Hindernissen, die der Beruf, die Partnerschaft oder einfach der Alltag mit sich bringt am besten um, so dass ich am Ende ein zufriedenes und wertvolles Leben führe. Das Trainieren einer wahren Kampfkunst, d. h. die ständige Arbeit an uns selbst unter extremen Bedingungen, formt unsere Persönlichkeit, unser Selbstverständnis und steigert unsere Flexibilität und Kreativität bei der Findung von ganzheitlichen Konfliktlösungsansätzen. So wird aus dem Verständnis der Kampfkunst (vielleicht) ein Schlüssel zu einem besseren Leben.